Gewalt im Netz: Alternative Trainingsmethoden

Gemüsehass und Identitätstorte

Auf einer einschlägigen Fetisch-Website tauchen Bilder von den eigenen Füßen auf? Mit der Post kommen wöchentlich Playmobil-Figuren, die mit Blut beschmiert sind? Im E-Mail-Posteingang trudelt eine Nachricht herein, dass verfängliche Daten vom eigenen PC veröffentlicht werden, wenn nicht ein gewisser Betrag in Bitcoin bezahlt wird? Das Handy wird vom Ex-Partner gehackt und getrackt?

„Betroffene von Gewalt im Netz fühlen sich oft hilflos und ausgeliefert. Wir Berater*innen müssen diesem Sog widerstehen können. Auch wenn sich Gewalt im Netz nicht mit einem Knopfdruck ausschalten lässt – Ziel der Beratung wird immer sein, dass sich Betroffene wieder handlungsfähig fühlen. Dazu braucht es kompetente Berater*innen und laufende Fortbildung.“

Dina Nachbaur, Geschäftsführerin WEISSER RING

Die Anfragen an den Opfer-Notruf 0800 112 112 gehen im digitalen Zeitalter weit über die klassischen Anfragen hinaus. Wer vor mehr als zwei Jahren in der Opferhilfe begonnen hat, las sich in gesetzliche Rahmenbedingungen und Auswirkungen von Viktimisierung und Traumatisierung ein. Dieses Basiswissen ist nach wie vor gefragt und muss aktualisiert werden. Doch parallel dazu gibt es in Opferhilfe-Einrichtungen immer mehr Anfragen, die sich nicht mit herkömmlichem Wissen beantworten lassen.

“In der Praxis können wir Berater*innen unseren Anrufer*innen selten eine schnelle Lösung anbieten, aber Halt und Orientierung. Indem wir uns emotional auf komplexe Themenstellungen einlassen, durch aktives Zuhören und Erfragen schaffen wir Struktur im Gespräch und geben damit Sicherheit. Ich persönlich orientiere mich immer an folgendem Leitsatz, der mich dabei unterstützt, mit meinem Gegenüber in Resonanz zu gehen: ‚Gesagt ist nicht gehört. Gehört ist nicht verstanden. Verstanden ist nicht einverstanden.‘“

Sabine Weber, WEISSER RING

Jede Anfrage an eine Beratungsstelle geschieht aus dem Gefühl heraus, festgefahren zu sein. Betroffene können sich – im Moment – nicht selbst helfen und brauchen für den nächsten Schritt ein unterstützendes Gespräch oder jemanden, der gut und aktiv zuhört. Manchmal geht das Gefühl der Ratlosigkeit bei Betroffenen so weit, dass Expert*innen von einer Krise sprechen. Welche Inhalte auch immer besprochen werden, es ist von entscheidender Bedeutung für den Verlauf einer solchen Beratung, dass Berater*innen Sicherheit geben, Schritte planen und Überblick bewahren können.

Im Jahr 2018 entwickelte der WEISSE RING gemeinsam mit dem Forschungszentrum Menschenrechte der Universität Wien Trainings für Berater*innen von Opferhilfe-Einrichtungen und Frauenberatungsstellen. Finanziert wurden sowohl Konzept als auch über 20 Trainings österreichweit vom Bundesministerium für Frauen und Gesundheit. Entstanden ist gebündeltes Wissen zu gesetzlichen Rahmenbedingungen und zu Auswirkungen von Gewalt im Netz gegen Mädchen und Frauen. Darüber hinaus wurden Trainingsmethoden entwickelt, die einen vollkommen neuen und unbeschwerten Zugang zur Thematik erlauben. In erster Linie gilt es, Berührungsängste mit „online“-Themen abzubauen und auf bewährte Strategien zu setzen. Stark gegen Gewalt – reloaded!

Dr.inDina Nachbaur, Geschäftsführerin WEISSER RING
Mag.
a Sabine Weber, WEISSER RING

Vortrag beim Tag der Kriminalitätsopfer 2019

Im Vortrag von Dina Nachbaur und Sabine Weber, beide WEISSER RING, unter dem Titel „Gemüsehass und Identitätstorte“, ging es um alternative Trainingsmethoden für die Weiterbildung von Mitarbeiter*innen in Opferhilfe-Einrichtungen. Geschäftsführerin Dina Nachbaur lenkte den Blick auf deren Rolle: „Betroffene von Gewalt im Netz fühlen sich oft hilflos und ausgeliefert. Wir Berater*innen müssen diesem Sog widerstehen können. Auch wenn sich Gewalt im Netz nicht mit einem Knopfdruck ausschalten lässt – Ziel der Beratung wird immer sein, dass sich Betroffene wieder handlungsfähig fühlen. Dazu braucht es kompetente Berater*innen und laufende Fortbildung.“ Sabine Weber ergänzte: “In der Praxis können wir Berater*innen selten eine schnelle Lösung anbieten, aber Halt und Orientierung. Da hilft eine gute fachliche Grundlage – ganz besonders bei neuen Arbeitsfeldern. Und die erwirbt man am besten, indem man beim Training selbst aktiv ist, sich emotional auf das Thema einlassen kann und das Training zu guter Letzt auch noch Spaß macht.“

Hier und hier geht es zu unseren Presseaussendungen zum Tag der Kriminalitätsopfer 2019.

Das gesamte Trainingskonzept kann beim WEISSEN RING angefordert werden (mail:office@weisser-ring.at). Hier gibt es das Trainingskonzept als Download.

Foto: Copyright WEISSER RING/Orhan Maglajlic

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