Neuerscheinung

13.6.2022 / Im Rahmen eines Termins bei Justizministerin Alma Zadić präsentierten Vertreter:innen des WEISSEN RINGS am Montag Band 10 aus der Schriftenreihe Viktimologie und Opferrechte mit dem Titel „Zugang zum Recht für Kriminalitätsopfer“.

Band 10 der Schriftenreihe Viktimologie und Opferrechte des WEISSEN RINGS stellt die Frage nach dem Zugang zum Recht für Kriminalitätsopfer. Das Thema wird sehr differenziert und fachlich fundiert aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet und hinterfragt. Als Herausgeber:innen fungieren mit Univ.-Prof.in Dr.in Lyane Sautner, Vizepräsidentin des WEISSEN RINGS, und Hon.-Prof. Dr. Udo Jesionek, Präsident WEISSER RING, zwei anerkannte Expert:innen. Das Vorwort hat Justizministerin Dr.in Alma Zadić, LL.M. zur Verfügung gestellt.

„Der WEISSE RING leistet mit dem mittlerweile zehnten Band der Schriftenreihe Viktimologie und Opferrechte neben seiner täglichen Arbeit in der Unterstützung von Verbrechensopfern auch einen wichtigen wissenschaftlichen Beitrag“, so Justizministerin Alma Zadić. „Im neuen Jubiläumsband widmet sich der WEISSE RING nun mit der Frage nach dem Zugang zum Recht für Kriminalitätsopfer einem entscheidenden Thema. Denn eines ist klar: Die Strafjustiz muss unabhängig von Faktoren wie Geschlecht, Herkunft, Alter und ökonomischem Status für alle Opfer von Straftaten gleich zugänglich und hilfreich sein.“

Bemerkenswerte Entwicklung der Opferrechte

Die Publikation zeigt deutlich, wo Österreich auf diesem Weg aktuell steht und widmet sich außerdem der Frage, ob und in welcher Form vorhandene Rechte für die Opfer auch zugänglich sind. „Die Rechte von Kriminalitätsopfern haben in den vergangenen Jahrzehnten sowohl in Österreich als auch auf europäischer Ebene eine bemerkenswerte Entwicklung durchlaufen“, hält Lyane Sautner fest. „Wir stellen uns in dieser Publikation der Frage, welche tatsächlichen und rechtlichen Hürden Opfern den Zugang zum Recht versperren und wie diese Hürden beseitigt werden könnten. Denn erst wenn Opfer von Straftaten tatsächlich in den Genuss dieser Rechte kommen, sind wir am Ziel angelangt.“ Die Publikation verfolgt in zehn Kapiteln einen interdisziplinären Ansatz. Dieser berücksichtigt Perspektiven des Strafrechts, des Antidiskriminierungsrechts, des Sozialrechts, der Psychiatrie, der Rechtspsychologie, der Translationswissenschaft sowie der Opferhilfe. Entsprechend vielfältig ist auch die Liste der Autor:innen.

„Ich bin sehr froh und stolz, dass wir gerade im Jubiläumsband der Schriftenreihe Viktimologie und Opferrechte dieses für die Arbeit des WEISSEN RINGS so zentrale Thema umfassend darstellen konnten. Dafür möchte ich mich bei den Autor:innen herzlich bedanken“, betont Udo Jesionek. „Als Opferhilfe-Einrichtung haben wir uns einerseits zum Ziel gesetzt, die Weiterentwicklung der Opferrechte voranzutreiben. Andererseits geht es in unserer Arbeit darum, tagtäglich Betroffene dabei zu begleiten und zu unterstützen, dass sie diese Rechte tatsächlich wahrnehmen können.“ Die in dieser Publikation präsentierten Ergebnisse zeigen deutlich, dass auf beiden Ebenen Entwicklungspotenzial vorhanden ist. „Es stärkt uns sehr, zu wissen, dass wir auf Unterstützung durch Justizministerin Alma Zadić zählen können“, schloss Udo Jesionek.

Die in dem Band vorgeschlagenen Verbesserungen sowie die aus den hier publizierten Erkenntnissen ableitbaren Hürden betreffen sowohl rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen als auch die Frage nach grundlegenden Haltungen und Einstellungen der Handelnden. So kommt auch hier ein Thema wieder zur Sprache, das den WEISSEN RING seit Jahren beschäftigt. „Die Polizei leitet gemäß § 56 Abs. 1 Z 3 SPG in allen Fällen, in denen Frauen Opfer häuslicher Gewalt werden, die Daten an die zuständigen Interventionsstellen bzw. Gewaltschutzzentren weiter. Eine analoge Bestimmung für Opfer situativer Gewalt fehlt trotz des ausdrücklichen Auftrags von Artikel 8 der EU-Opferschutz-Richtlinie nach wie vor. Dadurch erfahren viele Betroffene zu spät oder gar nicht von ihren Rechten“, hält Udo Jesionek fest und fordert eine Regelung zur Datenweitergabe auch für Opfer von situativer Gewalt.

Hürden für den Zugang zum Recht

Die wesentlichen, in der Publikation angesprochenen Hürden betreffen folgende Themen:

  • die Komplexität der Verfahrensvorschriften, die die Opfer hindern, ihre Ansprüche selbst geltend zu machen;
  • der fehlende oder mangelhafte Zugang zu Einrichtungen und Instrumenten, die hilfreich wären. Die bloße Information über die Rechte – etwa bei der Anzeige – ist nicht ausreichend, berücksichtigt man den emotionalen Zustand der Opfer zu diesem Zeitpunkt. Nach wie vor ist viel von der Initiative der Opfer abhängig (Antragsprinzip). Hilfreich wäre die automatische Weitergabe der Opferdaten an die Opferhilfe-Einrichtungen.
  • Nicht zu übersehen ist, dass es zu einer sekundären Viktimisierung im Verfahren kommen kann. Auch der Schutz vor einer weiteren Viktimisierung durch Vergeltungsmaßnahmen ist wichtig.
  • Wenn ein Opfer mehreren Formen der Diskriminierung ausgesetzt ist (z.B. aufgrund von Geschlecht, Behinderung, ethnischer Zugehörigkeit), kann das den Zugang zum Recht erschweren.
  • Aber auch aus den Haltungen der Akteur:innen der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte können sich Nachteile ergeben; wenn Opfer vor allem als Zeug:innen betrachtet werden anstatt als Verfahrenssubjekte mit eigenen Rechten. Opferrechte sollten nicht als Fremdkörper im Strafprozess wahrgenommen werden.

Autor:innen des Bandes

Mag.a Reem Alksiri, Ass.Prof.in Dr.in Daniela Dörfler, a.o.Univ.Prof.in i.R. DDr.in Maria Eder-Rieder, Mag. Franz Galla, Ing. Dr. Wolfgang Gappmayer LL.M., Dr.in phil. Ivana Havelka Bakk. MA, Hon.-Prof. Dr. Udo Jesionek, Dr. Tobias Körtner, Mag. Martin Prinz, Univ.-Prof.in Dr.in Lyane Sautner, Dr.in Susanne M. Schmittat, HR Dr. Wolfgang Sicka, Univ.-Ass.in MMag.a Dr.in Monika Stempkowski, Univ.-Prof.in Dr.in Silvia Ulrich, Tatiana Urdaneta Wittek, a.o. Univ.Prof. Dr. Thomas Wenzel, Mag.a Vera Wolf.

Fotos Buchpräsentation

Fotos: BMJ/Antonio Nedić

Diesen Beitrag teilen: