Schutz vor Gewalt am Arbeitsplatz – wichtiger denn je!

Weltweit nimmt Gewalt am Arbeitsplatz zu. Der steigende Wettbewerb, eine aggressivere Gesellschaft, die Pandemie und ihre Folgen sowie die explodierende Teuerung setzen die Menschen immer mehr unter Druck. Gewalt hat viele Gesichter. Auch die Formen und Folgen von Gewalt im Job sind unterschiedlich. Besonders betroffen sind Beschäftigte in Dienstleistungsberufen und im Verkehrssektor. WEISSER RING, AK Wien, Gewerkschaften vida und GPA setzen sich bei der Tagung „Bedroht, beschimpft, geschlagen – Schutz vor Gewalt am Arbeitsplatz – wichtiger denn je!“ am 29. März 2023 mit dem Thema Gewalt am Arbeitsplatz auseinander.

Erfolgreiche Zusammenarbeit

Im Rahmen der Eröffnung unterzeichneten Roman Hebenstreit, Vorsitzender der Gewerkschaft vida, und Udo Jesionek, Präsident WEISSER RING, ein Arbeitsübereinkommen. Udo Jesionek sprach die Vorteile von Kooperationen zur Eindämmung der Gewalt im Job an: „WEISSER RING und Gewerkschaft vida arbeiten bereits seit vielen Jahren vertrauensvoll und erfolgreich zum Thema Tatort Arbeitsplatz zusammen. Es freut mich sehr, dass wir diese Kooperation mit dem heute unterzeichneten Arbeitsübereinkommen auf eine neue Basis stellen. Wer an seinem Arbeitsplatz Opfer von situativer Gewalt wird – also von Kund:innen oder Kolleg:innen attackiert wird – erhält beim WEISSEN RING kostenlose Unterstützung und Begleitung. Viele Betroffene wissen leider weder über ihre Rechte als Opfer noch über die Möglichkeiten, sich Hilfe und Beratung zu holen, Bescheid. Ich sehe in dieser Kooperation einen wichtigen Schritt, allen Opfern von Gewalt den gleichen Zugang zu ihren Rechten zu ermöglichen.“

Der WEISSE RING begleitet und unterstützt im Rahmen seiner Tätigkeit in der Opferhilfe sowie in der Prozessbegleitung alljährlich zwischen 60 und 80 von Gewalt am Arbeitsplatz Betroffene. Unter dem Titel „Gewalt darf nicht in Mode kommen“ setzte der Verein im vergangenen Jahr hier auch einen Schwerpunkt in der Kommunikationsarbeit.

Klare Worte zum Thema Gewalt am Arbeitsplatz

Es soll mehr Bewusstsein für diese Problematik geschaffen, Themen- und Problemfelder sollen angesprochen, aber auch konkrete Informations- und Serviceleistungen aufgezeigt werden. Expert:innen, Führungskräfte und Betriebsrät:innen kamen genauso wie auch Betroffene bei der Konferenz mit internationalen Gästen zu Wort. Die Teilnehmer:innen waren sich einig: Es muss endlich mehr gegen Gewalt im Job gegengesteuert werden. Vorfälle, Übergriffe müssen systematisch erfasst, Präventionsmaßnahmen und Schulungen zur Deeskalation angeboten und Opfern bei der Bewältigung ihrer teils traumatischen Erfahrungen geholfen werden. Dazu sind Politik und Arbeitgeber:innen in die Pflicht zu nehmen!

Korinna Schumann, Vizepräsidentin ÖGB, betonte die Notwendigkeit von Betriebsvereinbarungen für die Prävention: „Für Gewalt gegen Frauen darf es null Toleranz geben, das gilt auch für das Arbeitsleben. Die Rolle der Betriebsrät:innen und Personalvertreter:innen ist in der Prävention besonders wichtig. Betriebsvereinbarungen sind ein zentrales Instrument, um Gewalt am Arbeitsplatz entgegenzuwirken. Betriebsrät:innen und Personalvertreter:innen sind es aber auch, die tagtäglich für die Kolleg:innen da sind und verantwortungsvolles Führungsverhalten einfordern. Wir danken für ihren Einsatz und stehen als ÖGB und Gewerkschaften mit Rat und Tat zur Seite. Die ÖGB-Frauen werden sich auch weiterhin für stärkere rechtliche Verankerung von Gewaltprävention einsetzen, wie etwa für die Ratifizierung und Umsetzung des ILO-Übereinkommens gegen Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt.“

Von zunehmender Gewalt im Job seien insbesondere Beschäftigte aus dem Verkehrs-, Dienstleistungs-, Gesundheits- und Tourismusbereich nachweislich betroffen, sagt Roman Hebenstreit, Vorsitzender der Gewerkschaft vida. Gewalt im Job darf nicht einfach hingenommen werden, sondern es muss aktiv dagegen vorgegangen werden. Viele Beschäftigte würden resignieren, sich nicht wehren. „Nur wer aktiv wird, kann etwas verändern. Zu Mut und Zivilcourage, dazu wollen wir mit unserer Plattform Tatort Arbeitsplatz motivieren, denn Gewalt im Job darf nicht als Berufsrisiko abgetan werden“, betont der vida-Vorsitzende. Nicht nur die Bundesregierung sei bei diesem Thema gefordert, auch die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) müsse im Rahmen der gemeinsamen Schutzstrategie für Arbeitnehmer:innen bis 2027 mehr tun. „Gewalt gegen Kolleginnen und Kollegen beeinträchtigt nicht nur Würde und Gesundheit. Gewalt in den Betrieben hat auch dramatische Folgen für die Entwicklung der Produktivität und verursacht gravierende Kosten im Gesundheitssystem für die gesamte Gesellschaft“, so Hebenstreit bei der Tagung.

Renate Anderl, Präsidentin Arbeiterkammer, sagte bei der Tagung: „Gewalt am Arbeitsplatz nimmt leider immer mehr zu. Arbeitgeber:innen haben die Pflicht, Arbeitsbedingungen im Betrieb zu schaffen, die der Gewalt den giftigen Nährboden entziehen. Sie müssen gezielte Schutzmaßnahmen ergreifen, um das Gewaltrisiko für die Arbeitnehmer:innen zu reduzieren – und zwar bevor Gewalt entsteht. Ein weiterer, längst überfälliger Schritt ist die Ratifizierung des ILO-Übereinkommens 190 gegen Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz: Das ILO-Übereinkommen schützt alle Arbeitnehmer:innen, weist auf die große Verantwortung der Akteur:innen der Arbeitswelt bei der Bekämpfung von Gewalt und Belästigung hin und legt in diesem Rahmen die Rolle der Regierungen und der Sozialpartner eindeutig fest. Die österreichische Bundesregierung muss dieses Übereinkommen endlich ratifizieren und sich damit klar zu einer Arbeitswelt bekennen, in der Gewalt und Belästigung keinen Platz haben.“

Sandra Steiner, stv. Vorsitzende der Gewerkschaft GPA, berichtete bei der Veranstaltung über die Ergebnisse einer Studie: „Die GPA hat im Zuge einer Aktionswoche unter dem Motto ‚Sicher ohne Gewalt am Arbeitsplatz‘ das Meinungsforschungsinstitut IFES mit einer Umfrage beauftragt. Die Ergebnisse stützen eindeutig die Einschätzungen und Berichte unserer Kolleg:innen und zeigen, dass vor allem Frauen und auch Jüngere insbesondere von verbaler Gewalt betroffen sind. Ganz zentral ist auch, dass vor allem Arbeitsdruck und Personalmangel als Konfliktverstärker wahrgenommen werden. Es fehlt vielfach an ausreichenden Maßnahmen und Vorkehrungen gegen diese Risiken und somit liegt auch auf der Hand, dass Arbeitgeber:innen ihre Verantwortung zum Schutz ihrer Beschäftigten vielfach nicht ausreichend wirksam wahrnehmen. Wir wenden uns ganz klar gegen die Auffassung, dass Übergriffe, Aggressionen, Belästigungen sozusagen als Berufsrisiko gesehen werden sollen, mit dem die betroffenen Arbeitnehmer:innen zurechtkommen müssen. Betroffene Arbeitnehmer:innen ermutigen wir, Gewalt am Arbeitsplatz in keiner Form hinzunehmen und die GPA unterstützt dabei natürlich auch umfassend.“

Elke Hannack, stv. Vorsitzende Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), plädierte in ihrer Zuspielung über Video für einen Bewusstseinswandel im Sinne der arbeitenden Menschen: „Die Zahlen und die täglichen Erfahrungen unserer Kolleginnen und Kollegen zeigen, dass Gewalt für diejenigen, auf die sich unsere Gesellschaft tagtäglich verlässt, Alltag geworden ist. Hier muss endlich gegengesteuert werden. So müssen Vorfälle systematisch erfasst, Präventionsmaßnahmen wie Schulungen zur Deeskalation implementiert und von Gewalt Betroffenen bei der Bewältigung ihrer teils traumatischen Erfahrungen geholfen werden. Die öffentlichen Arbeitgeber:innen und Verkehrsunternehmen stehen hier in der Pflicht. Doch auch uns als Gesellschaft geht diese Entwicklung etwas an. Auch wir müssen uns der Gewalt entgegenstellen. Mit unserer Initiative appellieren wir daher auch an die Bürgerinnen und Bürger sich stets bewusst zu machen: Vergiss nie, hier arbeitet ein Mensch. Mit dieser Botschaft streiten wir in der Öffentlichkeit, bei Arbeitgeber:innen und der Politik für einen Bewusstseinswandel und für greifbare Verbesserungen für die Menschen, die täglich für uns im Einsatz sind.“

Fotos

  • Udo Jesionek und Roman Hebenstreit bei der Unterschrift unter das Arbeitsübereinkommen
  • Moderatorin Anna Michalski, Udo Jesionek, Korinna Schumann
  • Renate Anderl, Sandra Steiner
  • Dokumentation der Veranstaltung mittels Graphic Recording

Fotocredit: vida / Thomas Lehmann

Aussendung per ots

03 / 2023

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