Tag der Kriminalitätsopfer 2020

Zurück in die Zukunft

Nachhaltigkeit am Beispiel der Tage der Kriminalitätsopfer.

Seit mittlerweile 30 Jahren wird am 22. Februar der Europäische Tag der Kriminalitätsopfer begangen. Aus diesem Anlass luden Bundesministerium für Inneres und Weisser Ring Verbrechensopferhilfe zum zehnten Mal zu einem Symposium ein.

Die Veranstalter nahmen das Jubiläum zum Anlass, um gemeinsam mit Expert*innen einen Blick auf die Themen der vergangenen Jahre zu werfen und deren Bedeutung für Gegenwart und Zukunft der Opferhilfe zu evaluieren.

Der inhaltliche Bogen des Symposiums spannte sich von der ehrenamtlichen Arbeit über die EU-Opferschutz-Richtlinie, verschiedene Zielgruppen der Opfer-Arbeit bis hin zu aktuell im Fokus stehenden Delikten wie Hasskriminalität und Cyber-Verbrechen. Udo Jesionek, Präsident des Weissen Rings, wies in seiner Begrüßungsansprache darauf hin, dass diese Themen auch jeweils für langfristige Arbeitsschwerpunkte des Weissen Rings stehen: „Keines der Themen, die in den vergangenen Jahren im Zentrum des Tags der Kriminalitätsopfer stand, hat uns als Weisser Ring wieder losgelassen. Sie sind vielmehr Schwerpunkte unserer täglichen Arbeit geworden.“

Wertschätzung und Unterstützung für Opferarbeit

Innenminister Karl Nehammer lobte in seinem Statement die Arbeit der Organisationen für Opferschutz und -hilfe und hielt fest: „Wir sind als Polizei immer gefordert über den Opferschutz nachzudenken, denn der Opferschutz ist für die Polizei auch eine ganz wesentliche Maßnahme, um Sicherheit zu gewährleisten.“

Justizministerin Alma Zadić betonte, dass sie sich der Forderungen des Weissen Rings annehmen werde, auch sei ihr der verbesserte Schutz vor Gewalt und Hass im Netz ein wichtiges Anliegen: „Hass im Netz kann zu abscheulichen Taten führen. Wir müssen hier ansetzen.“

Susanne Raab, Bundesministerin für Frauen und Integration nahm in ihrem Statement Bezug auf die Verdoppelung der Frauenmorde in Österreich seit 2014: „Wir dürfen dabei nicht einfach zuschauen und werden keinen Millimeter an Toleranz zulassen“, sagte die Ministerin.

Das Symposium: Rückblick und Ausblick

Die Fachveranstaltung folgte in ihrem Programm chronologisch den Themen, die seit 2011 jeweils im Zentrum der Veranstaltungen standen.

2011 Ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Opferschutz-Organisationen Stellvertretend für die zahlreichen ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen, die ihre Zeit unentgeltlich zur Verfügung stellten, holte der Weisse Ring sechs Persönlichkeiten vor den Vorhang. Die Historikerin Gudrun Wolfgruber, der Student und ehemalige Zivildiener Orhan Maglajlić, die Polizistin Xenia Zauner, die Juristin Heidrun Reiter und der Schauspieler Martin Zauner zeigten mit kurzen, sehr persönlichen Statements, wie vielfältig die Möglichkeiten sind, ehrenamtlich tätig zu werden.

Tag der Kriminalitätsopfer 2020, Ehrenamtliche
Gudrun Wolfgruber, Heidrun Reiter, Martin Zauner, Orhan Maglajlić, Xenia Zauner

2012 Die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Mindeststandards für die Rechte und den Schutz von Opfern von Straftaten Ging es 2012 um die inhaltliche Beurteilung der EU-Opferschutz-Richtlinie, so stand dieses Mal die Frage im Mittelpunkt, wie gut die Umsetzung in nationales Recht gelungen ist und wie weit die Vorgaben auch Eingang in die tägliche Arbeit gefunden haben. Tobias Körtner, Leiter Opferhilfe Weisser Ring, präsentierte zentrale Ergebnisse der Studie VOCIARE: „In Österreich sind die Opferrechte relativ gut umgesetzt. Verbesserungsbedarf gibt es bei Themen wie der Verständlichkeit der Information, die Opfer von Straftaten erhalten, oder der Verfügbarkeit qualifizierter Dolmetscher*innen. Aber auch bei der Frage, wie Betroffene überhaupt von Unterstützungsangeboten erfahren sowie bei der individuellen Feststellung der besonderen Schutzbedürftigkeit ist noch einiges zu tun.“

2013 Seniorinnen und Senioren als Opfer: Besonders betroffen – besonders betreut? Gerade zu diesem Thema haben sich Weisser Ring und Polizei immer wieder um Projekte bemüht. Aktuell wird unter dem Titel „Information hilft“ gemeinsam daran gearbeitet, ältere Menschen zu erreichen, um sie vor Trickbetrüger*innen zu bewahren. Gertrude Brinek, Ehrenkonsulentin Weisser Ring, leitete ihren Vortrag mit einem Beispiel ein, das zeigt, wie ein aufmerksames Umfeld – sei es in der Bank oder im Taxi – Betroffenen helfen kann: „Wir wollen neben den potentiellen Opfern vor allem jene erreichen, mit denen sie in Kontakt kommen könnten. Deshalb wollen wir mit Kammern, Banken, Senior*innen-Organisationen oder Organisationen, die Heimhilfe anbieten, zusammenarbeiten.“

2014 Betroffen sind sie auch: Angehörige – Hinterbliebene – Tatzeug*innen Kinder und Jugendliche erleben viel zu oft Gewalt – und noch viel öfter werden sie unfreiwillig zum Publikum einer Gewaltbeziehung. Barbara Neudecker, Fachstelle Prozessbegleitung für Kinder und Jugendliche: „Es steht außer Zweifel, dass Kinder und Jugendliche durch das Miterleben von Gewalt viktimisiert werden.“ Barbara Neudecker wies darauf hin, dass es für Zeug*innen von Gewalt zumeist keine oder viel zu wenig Unterstützung gibt. Viele betroffene Kinder finden nicht den Weg in Kinderschutz-Einrichtungen und bleiben mit ihrer Erfahrung alleine. Daher forderte sie mehr Unterstützungsangebote für Zeug*innen von Gewalt.

2015 Jugendliche als Betroffene von Straftaten im öffentlichen Raum Gerade bei Hasskriminalität ist es gar nicht immer einfach festzustellen, ob es sich um eine Straftat handelt. Und in Studien tritt immer wieder zutage, dass Betroffene viel zu wenig über mögliche Hilfestellungen wissen. Das gilt auch für Jugendliche. Deshalb haben ZARA Zivilcourage & Anti-Rassimus-Arbeit, Gewerkschaft vida und Weisser Ring zum Thema „Hass im Netz“ Kurzvideos produziert, die nun online zur Verwendung in einem Flipped Classroom zur Verfügung stehen. „Als Opferhilfe-Einrichtungen kommen wir ganz oft zu spät. Wir unterstützen viele erst nach der Straftat. Darum sind uns Prävention und Kontakt zu jungen Menschen ein besonderes Anliegen“, stellte Dina Nachbaur, Geschäftsführerin Weisser Ring, klar.

2016 Tatort Arbeitsplatz: Prävention und Opferhilfe im Rahmen von Gewalt im Arbeitsumfeld In vielen Arbeitsbereichen ist der tägliche Kontakt mit Externen selbstverständlich. Leider werden Beschäftigte auch immer öfter Opfer von Gewalt am Arbeitsplatz. Die Gewerkschaft vida und den Weissen Ring verbindet eine jahrelange Zusammenarbeit im Interesse der Betroffenen. Elisabeth Vondrasek, stv. vida-Vorsitzende, betonte: „Es gibt zwar keine Patentrezepte zur Bewältigung von Aggression und Gewalt. Die Gewerkschaft vida kann aber mit ihrer Informationsplattform Tatort Arbeitsplatz Bewusstsein schaffen, Unterstützungen geben und darüber informieren, was jede und jeder Einzelne selbst tun kann. Es ist jedenfalls wichtig, Gewalt oder Einschüchterung am Arbeitsplatz nicht einfach nur hinzunehmen.“ Brigitta Pongratz, Projektbetreuung und Öffentlichkeitsarbeit Weisser Ring, ergänzt: „Der Weisse Ring bietet mit dem Opfer-Notruf 0800 112 112 eine 24 Stunden täglich verfügbare erste Anlaufstelle für Betroffene. Das Angebot aus Prozessbegleitung und unbürokratischer Hilfe für Betroffene sowie Schulung und fachlicher Unterstützung für betriebsinterne Ansprechpersonen wird in Zukunft durch eine Informationsplattform im Internet ergänzt werden.“

Die Vortragenden des 10. Tags der Kriminalitätsopfer: Brigitta Pongratz (WEISSER RING), Barbara Neudecker (Fachstelle Prozessbegleitung für Kinder und Jugendliche), Johanna Eteme (Bundesministerium für Inneres), Fabian Navarro (Poetry Slammer), Nikolaus Tsekas (NEUSTART), Dina Nachbaur (WEISSER RING), Dana Pajkovic (NEUSTART und FH St. Pölten), Elisabeth Vondrasek (Gewerkschaft vida), Antonia Dangl (Studentin FH St. Pölten), Tobias Körtner (WEISSER RING), Foto Orhan Maglajlić

2017 Wenn aus Hass Verbrechen werden: Wirksame Maßnahmen gegen Hasskriminalität Vorurteilsmotivierte Straftaten – auch Vorurteilskriminalität oder Hate Crime – sind gerichtlich strafbare Handlungen, bei welchen das Opfer deswegen ausgewählt wurde, weil es aus Sicht der Täter*innen tatsächlich oder vermeintlich für eine Gruppe steht, gegen die er abwertende Vorurteile hegt. Die Taten können sich gegen Leib und Leben, fremdes Vermögen, Ehre oder andere Rechtsgüter richten und in der realen oder virtuellen Welt erfolgen. “Valide Daten sind für eine nachhaltige Polizeiarbeit wichtig, um durch datenbasierte Strategien Opfer besser schützen zu können“, sagte Johanna Eteme, Leiterin der Abteilung für grund- und menschenrechtliche Angelegenheiten im Bundesministerium für Inneres. Sie stellte ein zweijähriges EU-kofinanziertes Projekt des Bundesministeriums für Inneres vor, das seit 1. Juli 2019 läuft und mit dem Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie (IRKS) als wissenschaftlichem Partner und unter Einbeziehung von Vertreter*innen der Zivilgesellschaft durchgeführt wird. Ziel ist die Implementierung einer technisch unterstützten Datenerfassung und eine umfassende Sensibilisierung der Strafverfolgungsbehörden.

2018 Zivilcourage – Chancen und Risken: Wegschauen ist keine Lösung Sowohl online als auch offline besteht die Hoffnung, dass zivilcouragiertes Handeln die eine oder andere Straftat verhindern oder zumindest beenden kann. Auch wenn das nicht möglich ist, bleibt Zivilcourage gefragt – so zum Beispiel im unmittelbaren Umgang mit Betroffenen, wenn Zeichen der Solidarität die Bewältigung einer Traumatisierung erleichtern oder gar erst ermöglichen.
Der vielfach ausgezeichnete Lyriker, Autor, Kabarettist und Poetry Slammer Fabian Navarro zeigte in seinem Poetry Slam „Nett sein ist uncool“ auf unterhaltsame Weise, warum sich nicht alle Probleme mit Nettigkeit lösen lassen und wie klar gezogene Grenzen wirken.

2019 Cyber-Verbrechen verletzen real Die Bandbreite der Cyber-Delikte reicht von Datenbeschädigung, Datenfälschung und betrügerischem Datenverarbeitungsmissbrauch bis zu Beleidigung, Betrugsdelikten, Cyber-Mobbing oder Cyber-Grooming. Mit über zehntausend Anzeigen jährlich wird Cybercrime immer mehr zu einem zentralen Thema der Strafverfolgung. Zahlreiche Organisationen arbeiten daran, das Thema greifbar zu machen und Maßnahmen zur Bekämpfung zu entwickeln. Im Rahmen des Symposiums wurden zwei Projekte präsentiert.
Dana Pajkovic, NEUSTART und FH St. Pölten, und Antonia Dangl, Studentin FH St. Pölten, präsentierten den Zwischenbericht zu einem studentischen Projekt, das Hass im Netz auf zwei Arten thematisiert – einerseits in Form von Abschlussarbeiten und andererseits im Rahmen eines Filmprojekts. Im Filmprojekt zivile Held*innen — Stimmen gegen Hass im Netz wurden Stimmen zivilgesellschaftlicher Vertreter*innen gesammelt, um daraus einen Kurzfilm zu entwickeln.

Hier finden Sie das mittlerweile fertig gestellt Video.

Nikolaus Tsekas, Leiter NEUSTART Wien 1, stellte das Programm Dialog statt Hass vor: „NEUSTART hat in Zusammenarbeit mit der Justiz als rationale, sozial konstruktive Antwort auf die aktuelle Herausforderung im Bereich der Hasskriminalität ein passendes Interventionsangebot entwickelt.“ Das Programm Dialog statt Hass richtet sich an Täter*innen und soll für Themen der Diskriminierung sensibilisieren, Unrechtsbewusstsein schaffen, zu Reflexion und in der Folge zu Verhaltensänderung führen.

Beitragsfoto: Karl Nehammer, Alma Zadić, Udo Jesionek, Dina Nachbaur, Susanne Raab, BMI/Gerd Pachauer

WHO THE HELL IS OLOF?

Die Idee, am 22. Februar den Tag der Kriminalitätsopfer zu begehen, stammt aus Schweden. Und in Stockholm war es auch, dass Victim Support Europe im Jahr 1990 zum ersten Europäischen Tag der Kriminalitätsopfer aufrief.

Aber was hat das mit Olof Palme zu tun? Mehr dazu erfahren Sie hier.

Der Tag der Kriminalitätsopfer in den Medien

Hier finden Sie einige ausgewählte Links zur medialen Berichterstattung über den Tag der Kriminalitätsopfer:

Livestream über Facebook / 21.2.2020
APA ots / BMI / 21.2.2020
Wiener Zeitung online / 21.2.2020
orf.at / 21.2.2020
Bezirkszeitung Wien online / 21.2.2020
kurier.at / 21.2.2020
vienna.at / 21.2.2020

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