Der Betrug mit der Liebe

Love-Scam (aus dem Englischen: Love=Liebe, Scam=Betrug) ist eine emotional zerstörerische Form von Internet-Betrug. Die Täter:innen spielen den Opfern starke Gefühle vor, um an deren Geld zu kommen. Dafür nehmen sich die Täter:innen viel Zeit. Mit Hilfe eines falschen Profils bauen sie über Monate eine enge Beziehung zum Opfer auf und verdrängen so zumeist auch reale Bezugspersonen.

Typischerweise erfolgt Love-Scam in drei Phasen:

  1. Anbahnen des Kontakts
  2. Beziehungsaufbau
  3. Geldforderung/Betrug (vgl. Thiel, 2020)

Hinter der erfundenen Persönlichkeit stehen meist mehrere Personen, die in weltweiten Netzwerken oder Betrugsringen arbeitsteilig zusammenarbeiten.

Zu schön um wahr zu sein

Scammer betreiben viel Aufwand beim Erstellen von falschen Profilen auf Dating Plattformen oder Social Media. Sie ködern ihre Opfer mit Dingen wie attraktiven Fotos, einem interessanten Lebensstil, beruflichem Erfolg, hohem sozioökonomischem Status und interessanten Hobbies.

Ist der Kontakt einmal hergestellt, bauen sie nach und nach eine starke emotionale Bindung und Vertrauen auf. Diese Phase dauert meist zwischen sechs bis acht Monaten. Die Täter:innen ziehen dabei alle Register. Sie überreden, schmeicheln, bitten um Vertrauen, sprechen die menschlichen Grundbedürfnisse nach Bindung und Beziehung an. Sie sind mehrmals am Tag mit dem Opfer in Kontakt und nehmen so einen immer größeren Teil von dessen Alltag ein. Mitunter resultiert daraus auch ein Stück weit Isolation vom gewohnten sozialen Umfeld, zumindest, wenn dieses skeptisch oder kritisch darauf reagiert, dass das Opfer eine derart tiefe Bindung zu einer Person hat, die keiner je gesehen hat, die aber gleichzeitig ‚zu toll um wahr zu sein‘ scheint“ (Thiel, 2020, S. 8f.).

Es entsteht das Gefühl von Sicherheit und Verlässlichkeit. In einer als vertrauensvoll erlebten Atmosphäre werden intime Gedanken ausgetauscht. Dabei spielt den Scammern in die Hände, dass der Austausch zumeist ausschließlich schriftlich erfolgt. Dies verleitet dazu, dass private Informationen eher preisgegeben werden als im direkten, persönlichen Kontakt. Im Gegenzug geben die Täter:innen fiktive Details aus ihrem Leben preis, erzählen von angeblichen Hoffnungen, Träumen und Wünschen – um ebendies wieder von den Opfern zu entlocken. Diese erleben einen „Seelengleichklang“ und Vertrautheit. Sie übersehen dabei, dass die Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen nur aus eigenen Erzählungen oder den Informationen, die sie selbst preisgegeben haben, konstruiert wurde (vgl. Thiel, 2020). Das Opfer befindet sich in einer Echokammer.

Erst wenn eine starke Vertrauensbasis vorhanden und emotionale Abhängigkeit erreicht ist, kommen nach und nach Geldforderungen. Dabei sind zwei Hauptstrategien zu erkennen. Es geht entweder um eine Krise, in der Hilfe gebraucht wird, oder um eine Investition, die beispielsweise ein gemeinsames Leben in Wohlstand ermöglichen soll.

Tragische und durchaus glaubhafte Umstände, wie beispielsweise der Verlust von Dokumenten auf einer Reise oder eine unerwartete Krankenhausrechnung werden mit der Bitte um Hilfe an die Opfer herangetragen. Wenn bezahlt wird, bleibt es nicht bei dem einen Mal. Die Betrüger:innen zeigen sich verzweifelt und benötigen angeblich dringend immer mehr Geld. Versucht das Opfer, sich diesem Drängen zu entziehen, kommen Vorwürfe: Wieso vertraust du mir nicht? Ich dachte, ich könne mich auf dich verlassen! Ich dachte, wir hätten etwas Besonderes, eine richtige Beziehung. Du bist herzlos! Zusätzlich zerstreuen die Täter:innen geschickt – oft auch vorauseilend – mögliche Zweifel, indem sie Fotos (z.B. bandagiert aus dem Krankenhaus), behördliche Belege und Dokumente oder Arztrechnungen vorlegen.

Wenn sich das Opfer weigert, dann bauen die Täter massiv Druck auf. Sie flehen, versprechen die baldige Rückzahlung mit Zinsen oder drohen mit dem Beenden der Beziehung, dem Verlust des gesamten bisher „geliehenen“ Geldes oder gar mit Selbstmord. Häufig dramatisiert sich die Situation zunehmend. Die geschilderte Krise wird immer schlimmer und gleichzeitig rückt die Aussicht, den Geliebten bei sich zu haben, immer näher. Dieses ständige Schwanken zwischen emotionalen Extremen – Liebe und Wunscherfüllung einerseits, Druck und Angst andererseits – ist für die Opfer sehr belastend (Thiel, 2020, S.10).

Bei der Investitionsgeschichte stellen die Täter:innen den Opfern finanzielle Gewinne in Aussicht, um sich beispielsweise ein gemeinsames Leben in Wohlstand aufzubauen. Dazu müsste aber vorab Geld investiert werden. Die Taktiken variieren hierbei.

Schlägt eine Strategie fehl, wird oft wieder zur Phase des Vertrauensaufbaus zurückgekehrt und ein neuer Versuch zu einem späteren Zeitpunkt unternommen (vgl. Thiel, 2020).

Ein Ende mit Schrecken

Das geht so lange weiter, bis die Opfer die Geduld verlieren und sich eingestehen, dass die Beziehung nur vorgespielt war, um an ihr Geld zu kommen. Das passiert oft erst dann, wenn der Schaden bereits exorbitant hoch ist. Meist geht dieser in die Hunderttausende Euro (vgl. Rege, 2009; Kopp et al., 2016, Thiel, 2020).

In der Regel schaffen es die Betroffenen aber selbst dann nicht, den Kontakt von sich aus abzubrechen. Je mehr Geld überwiesen wurde, desto verstrickter sind sie bereits. Meist bedarf es der Intervention Dritter (Polizei, Bankmitarbeiter:innen etc.). Und sogar wenn die Beweise offensichtlich sind, ist es den Opfern kaum möglich, dies zu glauben. Die Enttäuschung und der Schmerz über den Beziehungsverlust und den Vertrauensmissbrauch sind zu groß (vgl. Thiel, 2020).

Neben dem finanziellen Schaden wiegt auch der Verlust einer für sie wichtigen Bezugsperson schwer. Opfer von Love-Scam haben eine reale Beziehung erlebt, haben intime Gedanken geteilt, sich verstanden und aufgehoben gefühlt und sich nicht selten aus anderen, realen Beziehungen zurückgezogen. Der Verlust dieser Bezugsperson wiegt dabei meist deutlich schwerer als der Verlust des Geldes. Opfer bezeichnen dieses Beziehungsende als „Tod“ und als tatsächlich traumatisch. Sehr oft finden Betroffene auch wenig bis gar keine Unterstützung im realen sozialen Umfeld. Es ist für dieses schwer nachvollziehbar, wie sie – entgegen aller Warnungen – „auf so jemanden hereinfallen konnten“. Opfer können sich oft auch lange selbst nicht eingestehen, dass alles nur „fake“ war und bleiben in der Verleugnung (vgl. Whitty/Buchanan, 2015).

Sie leiden nach der Aufdeckung des Betrugs unter […] Depression, Scham, Ärger, Furcht, Suizidgedanken. Schon deswegen wollen viele mal mehr, mal weniger bewusst den Kontakt mit dem Betrüger nicht ganz abbrechen. Häufig erfolgt eine Reviktimisierung bzw. eine ‚second wave of scam‘, denn die Betrüger melden sich erneut, reaktivieren alte Gefühle und setzen dann entweder die alte Masche fort oder bringen neue Betrugsmaschen in Anschlag (Thiel, 2020, S. 10f.).

Das Leben geht weiter

Vertrauensverlust in das eigene Urteilsvermögen, Verlust einer zentralen Beziehung, Verlust von Geld, oft auch Isolation vom realen sozialen Umfeld – damit bleiben die Opfer von Love-Scam zurück. Sie können nicht glauben, dass alles gelogen war. Sie leiden unter Schamgefühlen, unter den irritierten Reaktionen ihres Umfelds und sehr oft auch unter finanziellen Problemen.

Wie man sich schützen kann

Am besten wäre es, sich gar nicht erst auf die Kontaktanbahnung einzulassen. Ein Profil, das zu großartig ist um wahr zu sein, sollte mit Misstrauen behandelt werden. Wenn dann auch noch sofort von Beziehung und großer Liebe die Rede ist, dann sollten die Alarmglocken schrillen.

Ist man einem Scammer auf den Leim gegangen, dann gilt es, sich Hilfe zu suchen. Das reicht von der Anzeige bei der Polizei über die Schuldnerberatung bis zu therapeutischer Begleitung. Ein Anruf beim Opfer-Notruf 0800 112 112 kann ein möglicher erster Schritt sein, um sich Klarheit zu verschaffen. Aber auch der Kontakt zu einem wirklich guten Freund oder einer Freundin kann helfen, diese Krise zu bewältigen.

Wichtig ist, dass allfällige Unterlagen und Beweise der Polizei zur Verfügung gestellt werden können. Dinge wie Screenshots von Nachrichten und Chats, Mails, Überweisungsbestätigungen, Gedächtnisprotokolle zu Telefonaten oder auch ein Tagebuch können hier hilfreich sein. Denn es ist zumeist sehr schwierig die Täter:innen auszuforschen, vor allem wenn eine professionelle Organisation dahinter steckt.

Love-Scam ist eine Form von Betrug

Im Falle einer gerichtlichen Verurteilung drohen den Täter:innen Haftstrafen von bis zu zehn Jahren. Der Strafrahmen ist von verschiedenen Faktoren abhängig. So droht beispielsweise bei einem Schaden von bis zu EUR 5.000 eine Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten. Wenn der durch den Betrug entstandene Schaden EUR 5.000 übersteigt, liegt schwerer Betrug vor. Dieser zieht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren nach sich. Entsteht durch die Tat ein Schaden, der EUR 300.000 übersteigt, kann eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren verhängt werden.

Aus rechtlicher Sicht verwirklicht derjenige das Delikt des Betrugs, der jemanden

  • durch Täuschung über Tatsachen
  • zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung verleitet,
  • die diesen oder einen anderen am Vermögen schädigt.

Dabei muss der:die Betrüger:in mit dem Vorsatz handeln, sich durch das Verhalten des:der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern.

Zum Weiterlesen

Quellen

  • Dreijer, Guntars/Rudzisa, Valda (2020): Devices of Textual Illusions. Victimization in Romance Scam E-Letters. In: Research in Language (RiL) 18/2020. Online verfügbar [24.05.2022]
  • Kopp, Christian/Sillitoe, James/Gondal, Iqbal/Layton, Robert (2016): The online romance scam: a complex two-layer scam. In: Journal of Psychological and Educational Research.XXIV/2016, Issue 2. Online verfügbar [25.05.2022]
  • Nkotagu, Gabriel Hudson (2011): Internet Fraud. Information for Teachers and Students. In: Journal of International Students. Vol 1 Issue 2. Online verfügbar [24.05.2022]
  • Thiel, Christian (2020): Liebesschwindel im Cyberspace – Aktuelle Forschungsergebnisse zum Phänomen des Romance Scam im Überblick. In: Cyberkriminologie. Springer Fachmedien Verlag. Wiesbaden. Online verfügbar [25.05.2022]
  • Rege, Aunshul (2009): What‘s Love Got to Do with It? Exploring Online Dating Scams an Identity Fraud. In: International Journal of Cyber Criminology. July-Dezember 2009, Vol 3 (2). Online verfügbar [24.05.2022]
  • Whitty, Monica/Buchanan, Tom (2012): The Online Romance Scam: A Serious Cyber-Crime. In: Cyberpsychology, Behavior, and Social Networking, 15 (3). pp. 181-183. Online verfügbar [30.05.2022]
  • Whitty, Monica/Buchanan, Tom (2015): The online dating romance scam: The psychological impact on victims – both financial and non-financial. In: Criminology and Criminal Justice 16(2). Online verfügbar [24.05.2022]

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