„Gegen das Vergessen“

Dritter Akt von Hasskriminalität löst spontanen Schutz aus

Unter „Hasskriminalität“ oder „Vorurteilskriminalität“ können sich die wenigsten etwas vorstellen. Leider gibt es jetzt in Wien traurige Beispiele dafür: Portraitfotos von Überlebenden der NS-Verbrechen wurden in Wien geschändet. Drei Mal. Hasskriminalität bedeutet, dass hinter Straftaten ein Vorurteilsmotiv steht, gegen Gruppen von Menschen auf Grund ihrer Herkunft, ihrer sexuellen Orientierung oder auch ihrer Religion.

Am 7. Mai eröffnet Bundespräsident Alexander Van der Bellen gemeinsam mit dem deutsch-italienischen Fotografen Luigi Toscano die Ausstellung „Gegen das Vergessen“ in Wien. Die Installation zeigt Fotos von Überlebenden der NS-Verbrechen, welche als Zeitzeug*innen an diese dunkle Zeit mahnen wollen. Als die Ausstellung, welche gleichzeitig in verschiedenen Städten in Deutschland, der Ukraine und den USA stattfindet, in Österreich eröffnet wurde, vermuteten wohl die wenigsten, dass es ausgerechnet in der Bundeshauptstadt zu den verheerendsten Akten von Hasskriminalität an den Portraitfotos kommen wird. Nicht einmal drei Tage nach der Eröffnung wurden die Bilder bereits das erste Mal mit einem Messer zerschnitten, wenige Tage später mit Beschmierungen in der Form von Hakenkreuzen degradiert. Doch als dann im Zuge einer dritten Attacke an der Installation am 27. Mai die Bilder großflächig verwüstet werden – wieder durch Messerschnitte – kommt ein spontaner Schutz zustande. Zunächst von freiwilligen Helfer*innen in Camping-Sesseln und der Künstler-Initiative Nesterval, welche nach kurzer Zeit von der youngCaritas und der Muslimischen Jugend Österreich, die auch zuletzt einen Preis für ihr Engagement gegen Antisemitismus gewonnen hat, Unterstützung bekommen. Bald sind auch die jüdische Hochschülerschaft und die katholische Jugend dabei. Klar ist: Die gemeinnützigen Vereine erklären sich freiwillig dazu bereit, die Ausstellung rund um die Uhr bis zu ihrem Ende am 31. Mai 2019 zu bewachen.

In wenigen Stunden sind die ersten öffentlichen Kundgebungen zu den Ereignissen da. So äußerten sich Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Oskar Deutsch sowie Caritas-Präsident Michael Landau enttäuscht und erschüttert auf Twitter. Luigi Toscano, der Fotograf selbst, twitterte „Österreich, was ist los mit dir????Weder die Polizei noch das Innenministerium sind in der Lage Schutz zu leisten. “ Tatsächlich hat die Polizei nun die Streifen verstärkt und auch angefangen zu ermitteln, ob der Ort mit Videokameras überwacht wird.

Der WEISSE RING setzt sich seit Jahren für Opfer von Hasskriminalität ein. Wir unterstützen die einzelnen Betroffenen. Aber wir setzen uns auch generell für die Opfer von Hasskriminalität ein. So fordert der WEISSE RING seit Jahren, dass die betroffenen als „besonders schutzbedürftig“ im Gesetz anerkannt werden. Und wir sind dabei nicht alleine sondern Teil einer starken Allianz.

Eine Galerie der Fotos, welche im Rahmen der Ausstellung besichtigt werden können, sehen Sie unten – an einigen sind die Reparaturen noch erkennbar. Ebenso bemerkenswert ist die schöne Geste solidarischer Bürger*innen, nach diesen Attacken Blumen unter die Bilder zu legen.

Fotos und Text: WEISSER RING/Orhan Maglajlic

Erstellt am 29.5.2019

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