Zivilcourage als radikales Eintreten für die Würde des Menschen

Was ist Zivilcourage, und was macht sie möglich? Dieser Frage stellte sich Prof. Dr. Frank Welz, Fakultät für Soziale und Politische Wissenschaften, Institut für Soziologie der Universität Innsbruck, im Rahmen des Tages der Kriminalitätsopfer 2018.

„Ich glaube, dass jeder von uns mehr oder weniger doch etwas gesehen hat. Aber, was uns gefehlt hat, war die Zivilcourage”. Was ist Zivilcourage, und was macht sie möglich? Um sie verstehen zu können, muss man beide ihrer Seiten betrachten: sowohl das zivilcouragierte Handeln als auch die Anderen, uns selbst, die Gesellschaft, die Zivilcourage zuweilen notwendig wie andererseits möglich macht. Sie kann nicht isoliert, sie kann nur im Kontext der Gesellschaft untersucht werden.

Zivilcourage ist aktives Eintreten. Sie ist nicht einfach ein Wert, den man selbstzufrieden vor sich hertragen kann. Ihr Einsatz ist riskant. Ohne Rücksicht auf eigene Nachteile verlangt sie Mut in Zivil. Ihre äußerst hohe Wertschätzung gewinnt sie allerdings erst durch zwei weitere Merkmale. Ob es um physische (Dominik Brunner) oder psychische Gewalt (Mobbing) oder überhaupt um ein Aufstehen gegen Ungerechtigkeit geht (Martin Luther King), Zivilcourage tritt gegen eine Übermacht an, einen Angreifer, gegen Vorgesetzte oder die von vielen getragene herrschende Meinung. Das Wichtigste aber ist: Sie entsteht aus und dient einem übergeordneten Gefühl, für die Würde des Menschen, die verteidigt oder wiederhergestellt werden will.

Aristoteles nannte sie eine Tapferkeit, die ihren Beweggrund „in dem Verlangen nach dem sittlich Schönen hat”. Bevor man sie allerdings ihres Edelmuts wegen einfordert, gilt zu überlegen: Wieso ist sie notwendig? Sollte man beim Angriff auf eine Schule in Florida nach Zivilcourage rufen? Kann Selbstjustiz ein Ziel sein? Sicher nein. Aber in welcher Gesellschaft leben wir, die einerseits immer wieder couragierte Individuen hervorbringt, die sich selbstlos für Schwächere einsetzen, und die andererseits in manchen Bereichen zu einem Kampfplatz der Einzelinteressen zu werden scheint?

Es gibt soziale Bedingungen des Aufwachsens, die Menschen ein tiefes Mitgefühl für Andere entwickeln lassen. Aber es gibt auch von uns organisierte Prozesse, die ein Gegeneinander in einer atomisierten Gesellschaft vorantreiben. Was kann man tun? Öffentlich radikal für die Würde des Menschen eintreten, für Opfer, ganz ungeachtet ihrer “Nützlichkeit”, Herkunft, Alter, Geschlecht, ist nur eine, wiewohl wichtige Maßnahme. Auch sie verlangt Zivilcourage.

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