Forderungen des WEISSEN RINGS

Der WEISSE RING kann seine Ziele nur dann erreichen, wenn sich auch das Umfeld mit entwickelt. Daher hat der WEISSE RING stets eine aktive Rolle in der Entwicklung der Opferrechte und des Opferschutzes eingenommen, zahlreiche Forderungen formuliert und bei den jeweils zuständigen Stellen vorgebracht. Hier finden Sie jene Punkte, zu denen aktueller Entwicklungsbedarf besteht.

In erster Linie geht es für Opfer von Straftaten darum, das erlittene Unrecht hinter sich lassen zu können. Dazu brauchen Betroffene faire Verfahren, in denen ihre Rechte und Anliegen berücksichtigt werden. Strenge Strafen für Täter*innen gehören nicht oder nur in den seltensten Fällen zu den zentralen Anliegen der Opfer. Für die meisten geht es vielmehr darum, die passende Unterstützung zu bekommen, um sich wieder sicher und wohl zu fühlen.

Außerdem zeigt sich in der täglichen Arbeit der Opferhilfe genauso wie in aktuellen Studien: Opfer von Straftaten wissen nach wie vor viel zu wenig über ihre Rechte und über die bestehenden Unterstützungsmöglichkeiten Bescheid. Der WEISSE RING kämpft für eine Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen und setzt dabei auf Kommunikation und Kooperation.

Das vorliegende Dokument bietet einen Überblick über folgende Themen:

  • Drei zentrale Forderungen des WEISSEN RINGS
  • Forderung nach vollständiger Umsetzung der EU-Opferschutz-Richtlinie 2012/29/EU
  • Forderungen im Zusammenhang mit dem Thema Cyberverbrechen
  • Forderungskatalog rund um zivilcouragiertes Handeln
  • Maßnahmen gegen Hasskriminalität
  • Maßnahmen im Zusammenhang mit Gewalt am Arbeitsplatz

Weiterführende Artikel:

Drei zentrale Forderungen des WEISSEN RINGS

Folgende drei Ziele stehen im Interesse der Opfer von Straftaten auf der Agenda des WEISSEN RINGS:

  1. Kostenlose professionelle Unterstützung für alle Betroffenen, die eine solche in Anspruch nehmen wollen. Und das unabhängig vom erlittenen Delikt.
  2. Bestmögliche Information über Rechte und Unterstützungsmöglichkeiten. Verständlich und wiederholt – sowohl durch Polizei als auch durch Gericht und Opferhilfe-Einrichtungen.
  3. Jede besondere Schutzbedürftigkeit muss erkannt werden. Im österreichischen Strafverfahren haben „besonders schutzbedürftige“ Opfer auch besondere Rechte. Um ihnen diese zusichern zu können, muss aber die Schutzbedürftigkeit frühzeitig erkannt und anerkannt werden.

Aus diesen zentralen Forderungen ergeben sich folgende Notwendigkeiten:

  1. ausreichende finanzielle Absicherung allgemeiner Opferhilfe-Einrichtungen §14c VOG durch öffentliche Gelder
  2. engere Kooperation zwischen Strafverfolgungsbehörden und allgemeinen Opferhilfe-Einrichtungen zur raschen und kompetenten Unterstützung aller Opfer von Straftaten
  3. vorbehaltlose Anerkennung von Opfern vorurteilsmotivierter Straftaten als besonders schutzbedürftig iSd § 66a StPO

Der WEISSE RING fordert die vollständige Umsetzung
der EU-Opferschutz-Richtlinie 2012/29/EU

In der täglichen Arbeit der Opferhilfe zeigt es sich genauso wie in aktuellen Studien: Opfer von Straftaten wissen nach wie vor viel zu wenig über ihre Rechte und über die bestehenden Unterstützungsmöglichkeiten Bescheid. Deshalb drängt der WEISSE RING nach wie vor auf eine vollständige Umsetzung der EU-Opferschutz-Richtlinie 2012/29/EU und fordert vor allem eine geeignete gesetzliche Grundlage, damit Betroffene sofort von der Polizei an Opferunterstützungs-Einrichtungen vermittelt werden können.

Mit dem Abschlussbericht zu VOCIARE (Victims of Crime Implementation Analysis Report) liegt seit 2019 ein Vergleich der Implementierung und Umsetzung der EU-Opferschutz-Richtlinie 2012/29/EU in 19 Mitgliedstaaten der EU vor. Die Ergebnisse für Österreich untermauern einige aktuelle Forderungen des WEISSEN RINGS.

  1. Opfer von Straftaten haben zu wenig Zugang zu verständlichen Informationen über Rechte und Unterstützungsmöglichkeiten. Deshalb wird ein Großteil der Opferrechte kaum in Anspruch genommen.
  2. Die Weitervermittlung an Opferunterstützungs-Einrichtungen durch die Polizei funktioniert nur nach Betretungsverboten bei Einsätzen der Polizei bei Gewalt in der Familie zufriedenstellend. In einem Großteil der anderen Deliktsbereiche funktioniert die Weitervermittlung nur in erfreulichen Ausnahmefällen und hängt vom Engagement einzelner Beamt*innen ab.
  3. Es gibt große Schwierigkeiten, rasch gut qualifizierte Dolmetscher*innen zu finden, insbesondere für kleine Sprachgemeinschaften.
  4. Es gibt in Österreich noch keine Grundlage für die individuelle Feststellung der „besonderen Schutzbedürftigkeit“ von Opfern von Straftaten.
  5. Die finanzielle Ausstattung der Opferunterstützungs-Einrichtungen ist oft dürftig und lässt eine längerfristige Planung kaum zu.

Diese fünf Punkte sollten ein „Call to Action“ für alle sein, die sich für Opferrechte einsetzen.

Forderungen im Zusammenhang mit dem Thema Cyberverbrechen

Mit über zehntausend Anzeigen jährlich wird Cybercrime immer mehr zu einem zentralen Thema der Strafverfolgung. Der WEISSE RING formulierte hier anlässlich des Tags der Kriminalitätsopfer 2019 folgende sieben Forderungen:

  1. laufende Fortbildung für die Berater*innen in Opferhilfe-Einrichtungen für kompetente Beratung Betroffener
  2. Ausbildung und Fortbildung sowie eine personelle Ausstattung von Strafverfolgungsbehörden, die dem Ausmaß der neuen Herausforderung entspricht
  3. Erhöhung der Sicherheit von User*innen durch präventive Beratung und Information. Zielgruppe dafür müssen Personen jeden Alters sein.
  4. Es muss erkennbar und fühlbar sein, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist. Zu überlegen sind „Online-Streifen“ der Polizei und Projekte, welche die digitale Zivilcourage fördern.
  5. Erleichtern der Anzeigenerstattung. Diese sollte auch online möglich sein.
  6. Ausbau und Unterstützung von Initiativen von NGOs mit dem Ziel, Meldungen von Cybercrime und Gewalt im Netz zu fördern
  7. Opfer von Cybercrime brauchen Beratung und Unterstützung. Opfer aller Straftaten sollen entsprechend ihren Bedürfnissen unterstützt werden.

Forderungskatalog des WEISSEN RINGS rund um zivilcouragiertes Handeln

Anlässlich des Tages der Kriminalitätsopfer 2018 zum Thema „Zivilcourage – Chancen und Risken“ formuliert der WEISSE RING folgende Forderungen:

  1. Verbrechensopfergesetz (VOG): Wer Zivilcourage zeigt und dabei selbst zum Opfer wird, soll Anspruch auf Leistungen nach dem Verbrechensopfergesetz haben. In den Ausschlussbestimmungen des § 8 VOG soll ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass Hilfeleistungen nach dem VOG jedenfalls zustehen, wenn Betroffene sich in Gefahr begeben haben und verletzt werden in der Bemühung, Opfer einer Straftat zu schützen oder verdächtige Personen den Strafverfolgungsbehörden zu übergeben.
  2. Datenschutz: Wer Zivilcourage zeigt und Betroffene mit einer Anzeige bei der Polizei unterstützt, soll Anspruch auf verbesserten Schutz der persönlichen Daten haben.
  3. Sensibilisierung der allgemeinen Öffentlichkeit für die Möglichkeiten, die zur Verfügung stehen. Denn Zivilcourage zu zeigen heißt nicht unbedingt, selbst einzugreifen. Das Holen von Hilfe oder das Verständigen der Polizei sind bereits Akte der Zivilcourage.
  4. Schaffen eines Bewusstseins dafür, dass jeder einzelne gegen Hass im Netz vorgehen kann – sei es mittels Meldung beim Provider der jeweiligen Plattform, oder mittels eigenen Flowerrain-Postings.

Maßnahmen gegen Hasskriminalität

Der WEISSE RING ist Partner im Netzwerk Hate Crime Kontern, das die folgenden drei zentralen Forderungen in einer Pressekonferenz am 22. Februar 2019 präsentierte:

  1. Die Polizei sollte für Anzeigen von Straftaten Formulare verwenden, die das Vorliegen von Vorurteilsmotiven abfragen. Diese einfache Maßnahme würde sicherstellen, dass der Aspekt routinemäßig beachtet wird.
  2. Gerichte sollten potenzielle Vorurteilsmotive nicht nur am Schluss der Verhandlung, bei der Strafzumessung, berücksichtigen, sondern während des gesamten Strafverfahrens darauf eingehen, damit Opferrechte angemessen gewährleistet sind und das Bewusstsein für die spezifischen Gefahren von hate crime geschärft wird.
  3. Die diversen Einrichtungen der Zivilgesellschaft werden aufgerufen, sich mit dem Phänomen hate crime vermehrt auseinanderzusetzen, um sicherzugehen, dass adäquate Unterstützungsmaßnahmen für Betroffene getroffen werden.

Bereits anlässlich des Tags der Kriminalitätsopfer 2017, in dessen Zentrum das Thema Hasskriminalität stand, hatte der WEISSE RING folgende Forderungen formuliert:

  1. Hasskriminalität muss sichtbar gemacht werden.
    Bislang gibt es keine Möglichkeit, Hasskriminalität in der Kriminalstatistik zu erfassen oder Fälle von Hasskriminalität sofort als solche zu erkennen. Voraussetzung dafür ist, dass ein eigener Straftatbestand geschaffen wird.
  2. Opfer von Hasskriminalität müssen ex lege als „besonders schutzbedürftig“ anerkannt werden.
    66a StGB nennt Opfergruppen, die ohne weitere Begutachtung als „besonders schutzbedürftig“ anerkannt werden. Mit dieser Anerkennung verbunden sind umfassende Schonungsrechte im Strafverfahren, etwa das Recht, nicht in unmittelbarer Gegenwart des/der Angeklagten aussagen zu müssen. Die psychischen Belastungen, denen ein Opfer von Hasskriminalität im Strafverfahren ausgesetzt sein kann, rechtfertigen eine Anerkennung als „besonders schutzbedürftig“. Auch die EU-Opferschutz-Richtlinie 2012/29/EU, zu deren Umsetzung Österreich verpflichtet ist, nennt Opfer von Hasskriminalität ausdrücklich als Gruppe mit besonderen Schutzbedürfnissen.
  3. Trainings für Strafverfolgungsbehörden/Kooperation mit Opferunterstützungs-Einrichtungen
    Meist sind es Strafverfolgungsbehörden und insbesondere die Polizei, die als erste Kontakt zu Opfern von Hasskriminalität haben. Es ist wichtig, dass sie so früh wie möglich die Qualität der Straftat erkennen und Unterstützung für die Betroffenen organisieren.
  4. In einem zweiten Schritt braucht es gute Kooperation zwischen Polizei, Opferhilfe und Staatsanwaltschaft. Die Schaffung von Sonderzuständigkeiten bei den Staatsanwaltschaften ist ein wichtiger Schritt. Zusätzlich sollten gemeinsame Trainings von Exekutive, Justiz und Opferunterstützungs-Einrichtungen angedacht werden.

Maßnahmen im Zusammenhang mit Gewalt am Arbeitsplatz

Im Zuge der Kooperation mit der Gewerkschaft vida formulierte der WEISSE RING im Sommer 2019 folgende Forderungen rund um das Thema Gewalt am Arbeitsplatz:

  1. Finanzielle Absicherung des Opfer-Notrufs 0800 112 112 auch als Anlaufstelle für Betroffene von Gewalt am Arbeitsplatz durch Mitfinanzierung des zuständigen Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz.
  2. Institutionalisierte Weiterleitung von Fällen bzw. Betroffenen von Gewalt am Arbeitsplatz durch die Exekutive an den WEISSEN RING bzw. den Opfer-Notruf 0800 112 112.
  3. Laufende Aus- und Weiterbildung von Betriebsrät*innen und anderen betriebsinternen Ansprechpartner*innen zum Thema Gewalt am Arbeitsplatz, dem korrekten Verhalten gegenüber Betroffenen und zu den verfügbaren Unterstützungsmöglichkeiten.

Einrichtung einer Behörde für Ermittlung bei Misshandlungsvorwürfen gegen Polizeibeamt*innen

Im Regierungsprogramm 2020-2024 wird die Einrichtung einer eigenen Behörde für die „konsequente und unabhängige Ermittlung bei Misshandlungsvorwürfen gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte“ angekündigt (vgl. Seite 153).

Der WEISSE RING befürwortet jede Initiative, die Opfer bei der Wahrnehmung ihrer Rechte unterstützt.

  • Eine derartige Behörde sollte mit unabhängigen Personen besetzt sein und  völlig weisungsfrei vorgehen können.
  • Aus Sicht des WEISSEN RINGS ist es unbedingt notwendig, bei der Ausgestaltung dieser Stelle die Zivilgesellschaft einzubinden. Insbesondere sollte auf die konkrete Erfahrung von Opferschutz-Einrichtungen zurückgegriffen werden.
  • Das Angebot des WEISSEN RINGS steht sowohl jenen zur Verfügung, die Misshandlungsvorwürfe gegen die Polizei erheben als auch Polizist*innen, die im Zuge ihrer Arbeit Opfer von Gewalt werden.

Lesen Sie hier mehr dazu!

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