Projekt KAV

Abwicklung von finanziellen Entschädigungsleistungen an Personen, die ehemals im Otto Wagner Spital – Pavillon 15 untergebracht waren

(Text aus Jahresbericht 2019)

Aufgrund der aus den Heimkinder-Projekten gewonnenen Expertise wurde der WEISSE RING im Juni 2018 vom Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) mit der „Abwicklung von finanziellen Entschädigungsleistungen an Personen, die ehemals im Otto Wagner Spital – OWS untergebracht waren“ beauftragt. Die ersten Unterlagen trafen im September 2018 beim WEISSEN RING ein.

Wesentliche Grundlage der Arbeit an diesem Projekt war die Studie „Kinder und Jugendliche mit Behinderungen in der Wiener Psychiatrie von 1945 bis 1989“, die das Institut für Rechts- und Kriminalsoziologe (IRKS) im Auftrag des Wiener Krankenanstaltenverbunds (Wiener Gesundheitsverbund) erstellt und 2017 publiziert hatte.

Besonderheiten des Projekts

Dieses Projekt unterschied sich in zwei zentralen Punkten organisatorisch von den anderen vier Projekten: Die Meldungen erfolgten ausschließlich über eine beim KAV eingerichtete Hotline. Des Weiteren wurden die Auszahlungen durch den KAV selbst abgewickelt. In allen anderen ähnlich gelagerten Projekten hatte der WEISSE RING auch diese Aufgaben wahrgenommen.

Das Projekt unterschied sich auch in zwei weiteren Bereichen von den anderen: Ein Großteil der Meldungen erfolgte hier durch die Erwachsenenvertreter*innen der Betroffenen. Und in den meisten Fällen war es den Betroffenen auch nicht möglich, das Erlebte verbal wiederzugeben. Deshalb wurde stattdessen beschlossen, die Krankenakten heranzuziehen. Deren Umfang variierte zwischen wenigen Blättern und Konvoluten von mehreren 100 Seiten. Nicht alle dem WEISSEN RING zur Bearbeitung übermittelten Unterlagen betrafen auch tatsächlich Personen, die als Kinder im Pavillon 15 untergebracht gewesen waren und daher im Rahmen des Projekts entschädigt werden konnten. Darüber hinaus sind einige Betroffene zwischen Übergabe der Unter- lagen an den WEISSEN RING und Fertigstellung des Clearingberichts verstorben und konnten deshalb keine Hilfestellungen mehr zugesprochen bekommen.

Hemma Mayrhofer und Gudrun Wolfgruber, zwei der Autor*innen der oben erwähnten Studie und ausgewiesene Expertinnen, analysierten akribisch jeden einzelnen Fall und legten Berichte vor. Das Gremium entschied auf Basis dieser Berichte anhand einer Anzahl vorab definierter Kriterien über die Höhe der Entschädigung.

Im Zentrum standen fünf Kriterien bzw. Kriterienbündel, und zwar:

  • Alter bei der Einweisung
  • Dauer des Aufenthalts
  • Freiheitsbeschränkung durch körperliche Maßnahmen (z.B. Fixierung)
  • Freiheitsbeschränkung durch Medikamente (z.B. „Ruhigstellen“ mittels dauerhafter Überdosierung, Bedarfsmedikation)
  • Sonstige: fehlende Fördermaßnahmen (dazu zählen Dinge wie das Verweigern des Schulbesuchs, fehlende therapeutische Maßnahmen oder auch das Fehlen eines notwendigen Rollstuhls), Hospitalismus-Symptome, Pflegeschäden, unzureichende Hygiene, unzureichende Ernährung oder „Schoppen“ beim Füttern, Gewalt seitens Betreuer*innen, Gewalt von anderen Kindern gegen die durch das Betreuungspersonal nichts unternommen wurde, Einsatz als kostenlose Arbeitskraft

Selbstverständlich wurde bei der Beurteilung der einzelnen Kriterien auch berücksichtigt, was zum Zeitpunkt des Aufenthalts herrschende Lehrmeinung war bzw. durch welche Vorgaben die Betreuung zu dieser Zeit geregelt war. Diese Vorgangsweise wurde im Rahmen des Projekts entwickelt und erstmals angewendet. Sie kann als Vorbild für ähnlich gelagerte Projekte dienen, welche Menschen betreffen, die nicht oder nur eingeschränkt in der Lage sind, Erlebtes zu verbalisieren.

Eckdaten

  • Anzahl der vom WEISSEN RING bearbeiteten Fälle: 94
    Davon erhielten vom Gremium 75 Personen eine Entschädigung zuerkannt.
  • Finanzielle Hilfeleistung an Betroffene/vom Gremium beschlossen: EUR 1.043.000,–

Weiterführende Information

Hier gibt es die oben erwähnte Publikation „Kinder und Jugendliche mit Behinderungen in der Wiener Psychiatrie von 1945 bis 1989“ zum Herunterladen.

Zum Weiterlesen auf dieser Website:

Weitere Projekte:

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